Am
Montag schrieb ich einem Freund eine SMS und fragte nach, da ich
diese Woche einige Termine verschieben konnte, ob er Lust und Zeit
hätte mit mir ein Kaffee zu trinken. Er könne sich sogar den Tag
selbst aussuchen da er beruflich sehr eingespannt ist. Kurz darauf
bekam ich die freudige Nachricht, dass er sich sehr über die
Einladung freut. Er habe am Mittwoch frei und nimmt sich
gerne die Zeit auf ein Treffen mit mir, da er vieles zu erzählen
habe. Wir fixierten den Mittwoch, 15:00 Uhr für unser Treffen.
Vergnüglich begab ich mich zum ausgemachten Treffpunkt und bestellte
einen Espresso, da ich etwas früher dort war als Ausgemacht. Ein
nettes Lokal mit freundlicher Bedienung, was nicht selbstverständlich
ist in Wien. Die bunte Vielfalt an Menschen und das lebendige Treiben, vertrieb mir unterhaltsam die Wartezeit.
Ich
mag es, vor einem Treffen etwas früher am Treffpunkt zu sein. Da
kann ich in Ruhe ankommen, mich auf die Umgebung einlassen um mich
ganz meinem Gegenüber zu widmen. Ich brauche diese Zeit des
"Ankommen"um meine Wertschätzung nicht durch gestresstem
Auftauchen und mit entschuldigenden Worten, die Begrüßung zu beginnen.
Dies erlebe ich sehr oft bei Verabredungen. Bei mir hinterlässt es
jedes mal einen faden Beigeschmack, denn unterschwellig schwingt so
eine Art "Vorwurf", dass ich seine/ihre Zeit berauben würde
die sie/er für sich selbst bräuchte. Genauer betrachtet ist es
jedoch so, dass unsere geplante gemeinsame Zeit beraubt wird.
Es
ist 15:15 Uhr und meine Verabredung hat weder abgesagt noch ist er im
Lokal. Vor garnicht allzu langer Zeit, hätte ich mir Sorgen gemacht
dass etwas unvorhergesehenes passiert sein könnte, vielleicht sogar
etwas furchtbares. Heute jedoch sehe ich es gelassen und verbrauche
die Zeit die ich ihm gewidmet habe, für mich. Früher hätte ich
nachgefragt, diesbezüglich gebe ich mir heute keine Mühe mehr,
da die Möglichkeiten der Erreichbarkeit viel größer geworden sind
um abzusagen, als sich hinter fadenscheinigen Ausflüchte zu
verstecken. Ich erspare ihr/ihm die Ausreden und die verlorenen
Worte und besinne mich auf die momentane Situation. Dann genieße ich bei einem weiteren Espresso die Zeit, die an mir vorbeizieht.
Um
18:00 Uhr bekam ich eine SMS mit den Worten: "Sorry, habe
verschlafen".
Dieses
"Zeitphänomen" verrät einiges über den Zeitgeist in dem
wir uns befinden und betrifft nicht eine gezielte Altersgruppe.
(c) Merna El-Mohasel
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen